Zum Länderschwerpunkt China des SHMF gehört Giacomo Puccinis Oper “Turandot” hatten die Programmgestalter schon vor Monaten erklärt. In der MuK wurde das Werk am Freitag mit Starbesetzung gegeben, natürlich konzertant, das heißt ohne Bühnenbild und szenischer Darstellung.

“Turandot”, Puccinis letzte Oper, spielt im kaiserlichen China. Die Titelfigur ist eine eiskalte Prinzessin, die sich als Tochter des Himmels fühlt. Um eine Ahnfrau zu rächen, hat sie einigen Dutzend Bewerbern um ihre Hand drei Rätsel gestellt. Wer sie nicht lösen konnte, wurde geköpft. Und natürlich konnte niemand die Rätsel lösen. Bis eines Tages ein fremder Prinz kommt, dem das schier Unmögliche gelingt. Eingebaut in die Handlung ist die rührende Geschichte vom blinden, tot geglaubten Vater des Prinzen, den eine Sklavin betreut. Die Sklavin Liu liebt den Prinzen, obwohl sie weiß, dass er sie nie beachten oder gar lieben wird. Diese Liebe kostet Liu nach entsetzlicher Folter das Leben. Der Prinz nämlich will sich geschlagen geben, wenn Turandot seinen Namen heraus bekommt. Liu weiß ihn, gibt ihn aber nicht preis. Das Beispiel unendlicher Liebe krempelt die Prinzessin um.

Puccini hat die Oper nicht zu Ende komponieren können. Der Tod nahm dem krebskranken Mann 1924 die Feder aus der Hand. Sein Freund Franco Alfano vollendete das Werk nach hinterlassenen Skizzen. Der große Dirigent Arturo Toscanini legte am 25. April 1926 bei der Uraufführung in der Mailänder Scala nach dem Trauermarsch für die umgebrachte Sklavin Liu den Taktstock nieder und sagte zum Publikum: “An dieser Stelle hat Puccini die Komposition abgebrochen.” Langsam senkte sich der Vorgang. Erst in der zweiten Vorstellung wurde der nachkomponierte Schluss aufgeführt, wie seither immer.

Ein Großaufgebot an Musikern saß auf dem Podium der MuK, die NDR Radiophilharmonie und der Festivalchor. Eine Sondergruppe von Blechbläsern stand oben im Rang hinter dem Podium. So konnten die gewaltigen Fanfaren verstärkt ins Publikum schmettern. Mehrere Absagen trafen die Veranstalter. An zwei wichtigen Stellen musste Ersatz gefunden werden. Das galt zum einen für die große Partie des Prinzen Calaf. Der italienische Tenor Marco Berti sprang ein. Ursprünglich sollte eine Chinesin am Dirigentenpult stehen. Auch sie konnte nicht nach Lübeck kommen. Eine Kollegin aus Kanada, Keri-Lynn Wilson, übernahm die Leitung.

Puccinis Werk ist eine Sängeroper. Jennifer Wilson, eine amerikanischen Sopranistin, war eine stimmlich überragende Turandot. Den Prinzen Calaf gab, wie erwähnt, der Italiener Marco Berti mit robustem, höhensicherem Tenor. Iwona Sobotka, gebürtig aus Polen, war eine anrührende und stimmschöne Sklavin Liu. Viele weitere Solisten mit hervorragenden Stimmen standen auf dem Podium. Der Festivalchor schien riesig besetzt.

Fragen mochte man, warum die Solisten stocksteif, wie Zinnsoldaten an der Rampe standen. Natürlich soll man ins Publikum singen. Aber da nicht alle ständig singen, sind Blicke und Gesten möglich und hilfreich. Erst Jennifer Wilson als Turandot benutzte auch ihre Hände und ihre Mimik. Vom zweiten Rätsel an machte Calaf beziehungsweise Marco Berti es ihr gelegentlich nach. Später sang er wie unbeteiligt weiter. Keri-Lynn Wilson dirigierte mit großen, runden Armbewegungen. Das passte zum voluminösen Tuttiklang, den sie immer wieder forderte. Gesonderte Einsätze für einzelne Gruppen oder den Chor gab sie nicht immer, was gelegentlich auch hörbar wurde. Natürlich imponierte die Gesamtleistung dem Publikum, das lange Beifall spendete.

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